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Politik nach Schachspielerart

Verantwortlicher Autor: Riesenberg Berlin, 21.02.2020, 21:04 Uhr
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Mattsituation, die eigentlich nur selten vorkommt
Mattsituation, die eigentlich nur selten vorkommt  Bild: Riesenberg

Berlin [ENA] Selten hat eine Landtagswahl solch hohe Aufmerksamkeit erzeugt, wie die in Thüringen. Thüringen befindet sich mit seiner Bevölkerungszahl zwar im letzten Drittel aller deutschen Bundesländer, bekam jedoch durch das Wahlergebnis vom Februar 2020 eine Bedeutung auf Bundesebene zugemessen.

Eigentlich sollte die Grundlage der journalistischen Berichterstattung die Darstellung und Analyse von Fakten sein, objektiv und möglichst unparteilich. So sollte es sein. Wenn man sich jedoch gegenwärtig die zahllosen Beiträge in allen Medien anschaut - sowohl jene in den hoch anspruchsvollen und mehr für den intellektuell geprägten Interessenten, als auch den übersichtlich und leicht verständlich gehaltenen Artikeln in den sogenannten Boulevardblättern, also aufbereitet für den "Normalleser" - dann ist man überrascht. Es gibt immer weniger "reine Berichterstattung". Dazu sind die Themen scheinbar zu polarisierend. Der sogenannte "Mainstream" setzt sich in der täglichen Wahrnehmung immer mehr durch.

Hat in der letzten Zeit die Diskussion um die Klimaproblematik die größte Aufmerksamkeit erzeugt - nicht zuletzt auch deshalb, weil man sich an einer "Leitfigur Greta" abarbeiten konnte und jeder, der von einer mitlaufenden Huldigungskampagne abwich, mit Missbilligung oder sogar einem "Shitstorm" zu rechnen hatte - so hat aktuell die Landtagswahl in Thüringen die volle Aufmerksamkeit erreicht. Sicherlich löst eine Wahl, die irgendwie ausging wie das "Hornberger Schießen" (nachzulesen ebenda), nicht gerade Freude aus. Es sollten jedoch erwachsene, erfahrene und gestandene Politiker - also Mitbürger, von denen man annehmen darf, dass sie über ein gesundes Maß an Anstand und Würde verfügen - sich auch mindestens angemessen benehmen.

Hat aber irgendwie nicht funktioniert. Natürlich war das zu beobachtende Manöver insgesamt entweder von der Unfähigkeit geprägt, mehr als einen Schritt voraus zu denken oder man wollte es so. Es war irgendwie, als würde ein Anfänger gegen einen Schachkenner spielen, welcher ihn aus Mitleid bis zum vorhersehbaren Ende im Spiel behält. Das war spätestens die Frage, als der FDP-Kandidat seinen Hut in den Ring warf. Hatte man vergessen, dass aktuell die Informationen in Echtzeit an die Öffentlichkeit gelangen? Wenn es nicht Kalkül war, dann war es Dummheit - woran eine Entschuldigung auch im Nachhinein nichts ändert. Die Entrüstung, die daraufhin in allen Lagern ausbrach - mit Ausnahme der AfD - war schauspielreif aber zum Teil auch peinlich.

So hatte es schon irgendwie Fremdschäm- und Kindergartenniveau, dass die Linken-Stellvertreterin dem frisch gewählten Ministerpräsidenten (obwohl nicht von der AfD) zur Gratulation den Blumenstrauss vor die Füße warf. Diese Bilder gehen heutzutage schneller als in "Windeseile" durch das ganze Land und um den Globus. Irgendwie war die Situation peinlich, zumal selbige Linien-Vertreterin später im "Fred Perry"*-Shirt im STERN_TV ein Interview gab, bei welchem m.E. nicht unbedingt die Sachlichkeit im Vordergrund stand. (*Die "Fred Perry"-Marke steht im Ruf, gern von Ultras und Punks bzw. in der ehemaligen DDR von Skinheads und Neonazis genutzt worden zu sein. Der Hersteller hat sich zwar dagegen gewehrt - es blieb aber dennoch so.)

Nun hätte man meinen können, dass bei einem Bundesland mit der Einwohnerzahl von Thüringen und in Bezug auf die Wahlbeteiligung, die Sicherheit und Weiterführung der demokratischen Ordnung in Deutschland durch diesen wahltaktischen Schachzug nicht ernsthaft gefährdet sei. Aber statt die Wahl als das zu betrachten, was es war, nämlich ein fahrlässig herbeigeführtes, jedoch demokratisch mögliches und in landeseigener Verantwortung zu lösendes Problem, wurde es zeitnah bis in den afrikanischen Kontinent getragen, wo die Bundeskanzlerin die sofortige Beseitigung dieses Problems forderte. Ihr war entfallen, dass sie das Parteiführungsamt abgegeben hatte und Befehle nach Diktatorenart hierzulande wenig Rückhalt finden.

Aber alles noch nicht peinlich genug. Zuvor hatte sich der FDP-Vorsitzende persönlich entschuldigt. Was eigentlich gar nicht möglich ist. Man kann sich nicht "selbst entschuldigen", sondern muss den oder die Betroffenen um Entschuldigung bitten. Aber egal, danach verkündete die CDU-Vorsitzende ihren Rücktritt vom Parteivorsitz. Allerdings erst zum Parteitag der CDU, als zum Jahresende. Solche langfristigen Ankündigen sind erfahrungsgemäß auch nicht durch große Weisheit begründet.Wer will schon weiter auf einem "Kahn schippern", dessen Kapitän und erster Offizier bereits ihren Ausstieg vorbereiten, ohne der Mannschaft zu sagen, wie es danach weitergeht. Vor allem unklug, wenn in der zweiten Reihe schon mehrere Nachfolgekandidaten warten.

Jetzt und sofort möchten diese aber gar nicht ganz nach vorn. Die Gefahr bei der gegenwärtigen Konstellation an der Frontlinie zerrieben zu werden, ist einfach zu groß. Es kehrt das Schicksal von Martin Schulz ins Gedächtnis zurück und erinnert an das Sprichwort:"Aus dem Schaden der Anderen wir der Aufmerksame klug!" Unter diesen Grundüberlegungen werden die Bürger*Innen täglich mit neuen Möglichkeiten konfrontiert. Die Überlegung einer Neuwahl steht da nicht nur für Thüringen an. Es gib mehr als 40 Parteien, die sich zur Wahl stellen. Zieht man mal die relevanten Bundestagsparteien und ein ein paar unerwartete "Newcomer" ab, bleibt die Anzahl überschaubar, denn "viele Köche verderben den Brei". Dafür gibt es ja die 5-Prozent-Hürde.

Leider gibt es Menschen, die mit Wahlrechten ausgestattet, dies jedoch nicht so ernst nehmen. Sonst würde DIUE PARTEI nicht im Europaparlament sitzen. Das spricht dafür, dass sich zu wenige mit den Inhalten der Parteien auseinandersetzen. Auch die Parteiprogramme der "großen" Parteien überschneiden sich in vielen Punkten. Merkwürdig, dass man keine gemeinsamen Nenner findet. Meist will man diese auch gar nicht finden und ist sogar verärgert, wenn der politische Gegner die gleiche Ansicht oder das gleiche Ziel formuliert. Darum wollen alle in die Mitte, da ist immer der Schwerpunkt. Egal ob man im Interesse eines gesunden Ausgleiches auch mal die Ränder belasten müsste - man weiss nicht, welcher Rand das System aus dem Gleichgewicht bringt.

Auf Grund der Fülle von Informationen, die täglich auf uns einströmen - viel schneller und umfangreicher, als wir sie auch nur ansatzweise sortieren und verarbeiten können - sind Fakten mit einem hohen Wahrheitsgehalt und ausreichender Beständigkeit, für uns besonders wertvoll. Leider ist es jedoch so, dass selbst in der Zeit , in der diese Zeilen entstehen, die Situation sich schon wieder geändert haben kann. Dann sind "News" schon wieder "Fake News". So kann z.B. das LINKE/CDU Stellungswechselspiel schon wieder ein Dementi wert sein oder ein neuer Anwärter hat sich dem CDU-Vorsitz-Wettkampf hinzugesellt. Die Lektion, die man lernt ist, dass politische Ereignisse manchmal schon bei der Formulierung eines Artikels ihre Bedeutung verlieren.

Da ist man mit dem Klima schon besser dran. Oder man schreibt über Schach. Ist ja ein wenig wie Politik . Allerdings sollte man ein paar Züge voraus denken. Dieser Eindruck erschließt sich mir gegenwärtig in der politischen Arbeit so nicht, es sei denn, die Selbstbeschäftigung innerhalb der Gremien zählt man dazu. Aber das wäre so, als würde man gegen einen Schachcomputer spielen, den man auf die geringste Schwierigkeitsstufe eingestellt hat und der bei Bedarf fehlerhafte Züge zurücknimmt. Geht leider in der Politik eher nicht. Womit wir wieder am Anfang wären. (Anm.: Natürlich sind - trotz manchmal fehlender Geschlechterangabe - alle weiblichen, männlichen, diversen und andere Lebensformen gemeint. Ich bitte um Entschuldigung.)

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